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Interview mit Barbara Imgrund, Autorin der GEDOK Heidelberg

„Ich feile lange an meinen Gedichten“

In der Pandemie fand sie zur Poesie – Barbara Imgrunds Lyrik-Debüt „ReimRaum“ / Von Marion Gottlob ( RNZ, 7.11.2021)

 

Was sind „Gedichte in dieser Zeit“? Handeln sie von Einsamkeit? Vielleicht, so trägt ein Gedicht von Barbara Imgrund den Titel „Nicht allein“: „Du siehst nicht im Nebel, wohin der Weg geht. / Schließ die Augen, vertrau, / streck die Hand aus und bau / auf den, der im Nebel stets neben dir steht.“ Die wenigen Worte tragen eigenartige Funken in sich, die von Herz zu Herz überspringen können.

Unter dem Titel „ReimRaum – Gedichte in dieser Zeit“ hat die Wahl-Heidelbergerin Imgrund einen Lyrikband mit 38 Gedichten veröffentlicht. Auf Anhieb konnte sie den Heidelberger Verleger Walter Roth für die Gedichte begeistern. Mit Recht. Wer einmal mit dem Lesen beginnt, der hört am liebsten nicht mehr auf, bis er alle Texte „durch“ hat – und anschließend liest man die Gedichte gerne wieder und wieder. Es sind gereimte Texte mit einem Sprachrhythmus, der die Kraft der Worte in den Alltag trägt. Die Texte wirken oft so, als wären sie mit größter Leichtigkeit in wenigen Minuten erdacht worden. Imgrund jedoch erklärt: „Ich feile lange an meinen Gedichten.“

Die Autorin ist in Landshut geboren. Sie hat Germanistik in München studiert. In den Semesterferien hat sie damals eine Ausbildung zur Schwesternhelferin absolviert. Praktische Erfahrungen sammelte sie auf einer Station für Aids- und Krebskranke. Einmal verletzte sie sich aus Versehen mit einer infizierten Kanüle an der Hand: „Gott sei Dank, ich wurde nicht angesteckt.“ Doch nun, während der Corona-Pandemie, erinnert sie sich an diese Zeit, als schon einmal ein Virus weltweit zur tödlichen Bedrohung wurde: „Plötzlich gibt es erneut eine namenlose Gefahr. Das Gefühl von Sicherheit ist dahin. Der Boden rutscht unter den Füßen weg.“

 

Bisher hat Barbara Imgrund Romane geschrieben. Doch mit dem Beginn der Corona-Krise hatte sie die Ruhe dazu nicht mehr. So entdeckte sie für sich die Poesie: „Als Jugendliche hatte ich ein paar Gedichte geschrieben und es dann schnell wieder aufgegeben.“ Aber nun öffnete ihr gerade diese Form einen Weg aus der Krise: Besonders an den Lockdown-Abenden flüchtete sich Imgrund auf die Couch und feilte an ihren Gedichten und Texten. „Die Couch und die Gedichte wurden zur rettenden Insel für mich. Bei der Arbeit mit Metrum, Reim und Rhythmus habe ich zu Sicherheit und Struktur zurückgefunden.“

Lassen wir das Gedicht „In dieser Zeit“ mit einigen Versen zu Wort kommen: „Ich werde Rosen pflanzen auf verbrannter Erde / und einen Apfelbaum, als gäb’s kein Morgen mehr. / Ich möchte Tauben züchten, bis ich hundert werde, / und sie in Frieden ziehen lassen übers Meer. / Ich säe Eintracht, schütte tiefe Gräben zu, / ich lasse Hoffnung keimen, bis sie Wurzeln schlägt. / Ich gebe täglich Leben, Liebe, Licht hinzu / und warte, dass die Saat aufgeht und Früchte trägt.“

Dramatisch wirkt der Text „Am Abgrund“: „Es kam einmal, dass ich am Abgrund stand. /Er war schwarz und still und bodenlos tief. / Ich spürte, dass ich keinen Halt mehr fand, / und hörte, wie er mich beim Namen rief. / Ich sah die Brücke erst, als sie schon trug, / wie aus dem Nichts bot sie sicheren Tritt. / Auf Luft gebaut und doch stark genug, / fing sie mich auf, stützte meinen Schritt.“ Die Autorin findet zu einem guten Ende: „Ich blicke ins Licht, nicht ins Dunkel zurück. / Das hat jener Abgrund mir beigebracht.“ Eindrücklich.

Noch einmal zur Biografie: Nach dem Studium arbeitete Imgrund bei renommierten Verlagen als Lektorin. Später machte sie sich selbstständig. Sie ist heute als Übersetzerin von Belletristik mit dem Schwerpunkt auf Fantasy-Romane für Jugendliche tätig. Sie hat den Spiegel-Bestseller „Ein Kleid aus Seide und Sternen“ von Elizabeth Lim übersetzt. Der zweite Band, „Bestickt mit Tränen des Mondes“, ist vor Kurzem erschienen und hat inzwischen bereits ebenfalls Bestsellerstatus erreicht.

Barbara Imgrund ist außerdem Tier- und besonders Hunde-Liebhaberin. Davon erzählt ihre Gedicht-Hommage an Hündin Mali: „Mein bester Freund schweigt wie ein Grab. / Nie nimmt er Lügen in den Mund, / noch bricht er über mich den Stab. / Mein bester Freund ist nur ein Hund.“ Voller Poesie ist dann ihr Gedicht „Der Morgen“: Tränen der Nacht / auf Gras und Baum, / traumklar erdacht. / Es tagt noch kaum. / Welt wartet stumm, / Zeit regt sich nicht. / Hoffnung geht um, / und es wird Licht.“ Wer moderne Alltagsgedichte schätzt, dem seien die Texte mit den selbst fotografierten Bildern ans Herz gelegt.

 

Info: Barbara Imgrund: ReimRaum. Gedichte in dieser Zeit. WaRo-Verlag, Heidelberg 2021. 12,90 Euro. https://barbara-imgrund.de

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Barbara Imgrund (Montag, 08 November 2021 11:51)

    Das Buch eignet sich übrigens sehr gut als Geschenk für alle Gelegenheiten, da es als Hardcover mit Lesebändchen, Bilderdruckpapier und Vierfarbdruck hochwertig und bibliophil ausgestattet ist. Und um aus dem Schreibkästchen zu plaudern: Es gibt schon ein paar Gedichte für einen zweiten Lyrikband, und aktuell schreibe ich - unterstützt durch das über die GEDOK vermittelte Stipendium von Inanna Lang - an einem neuen Roman, der ein (Anti-)Krimi werden soll.

  • #2

    Petra Lindenmeyer (Montag, 08 November 2021 12:01)

    Liebe Barbara, ich bin schon gespannt auf Deinen nächsten Band. Die Themen sind ganz aktuell und doch auch zeitlos.
    Schön, die Autorinnen auch immer auf den Lesungen und Konzertlesungen erleben zu dürfen. herzliche Grüße