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Die Heidelberger KünstlerInnen wünschen sich eine Sommerbühne von der Stadt

 

Die Künstlerinnen und Künstler in Heidelberg wünschen sich eine Sommerbühne – wie es sie im vergangenen Jahr beispielsweise vom Karlstorbahnhof gab. Für diesen Sommer plant das Theater eine solche Bühne im Schlossgarten. Foto: Karlstorbahnhof, 2020

 

Von Birgit Sommer, Rhein-Neckar-Zeitung, 26.3.2021

 

Heidelberg. Freischaffende Künstler leiden in der Corona-Pandemie still. Denn sie können sich und ihre Werke ja gar nicht zeigen. In Heidelberg wollen sie laut werden. Mit Unterstützung des Kulturamtes der Stadt haben sie sich im November zur "Heidelberger Künstler*innenversammlung"zusammengeschlossen. Jetzt traten sie erstmals in einer Digitalveranstaltung an die Öffentlichkeit, organisiert von Stadt, Theater und Citykirche. Bis zu 140 Teilnehmer hörten ihnen zu, darunter Christine Merkel, die Referentin für Kultur und Kommunikation der Deutschen Unesco-Kommission, und der Heidelberger Plakatkünstler und Verleger Klaus Staeck. 

Wie es Künstlern wirklich geht, erfuhr man von Marcus Imbsweiler im Gespräch mit City-Pfarrer Vincenzo Petracca. Dem Autor und Musikkritiker sind sämtliche beruflichen Standbeine weggebrochen: Keine Lesungen seiner Bücher, keine Moderationen – auch Texte und Einführungsvorträge waren nicht gefragt. "Ich bin seit einem Jahr arbeitslos." Dabei tritt er gerne auf. "Das wusste ich vorher gar nicht", meinte Imbsweiler, "ich brauche das Netzwerk der Veranstaltungen, ich brauche die Lesungen." Derzeit beziffert er seinen Ausfall an Einnahmen und Aufträgen auf 75 bis 80 Prozent.

"Wir kriegen gesagt: Was Du machst, ist entbehrlich", sagte Imbsweiler. "Das macht was mit unserem Selbstwertgefühl." Die Kreativität sei blockiert. "Man schreibt da nicht einfach einen großen Roman." Auch die Zukunft erschien ihm nicht so rosig: "In künftigen Sparrunden werden wir Künstler wieder die Ersten sein, die bluten müssen." Imbsweilers Appell: "Gliedert uns bitte wieder in die Gesellschaft ein!" Die Öffentlichkeit müsse das einfordern: "Ich weiß ja, wie viele Leute nach Kultur gieren."

 

Der "oberste Kulturlobbyist", wie sich Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, selbst nennt, steht hinter den Künstlern, wenn sie aufbegehren: "Künstler müssen ihre Interessen selbst in die Hand nehmen. Andere werden es nicht tun." Zum Kulturrat gehören 262 Verbände aus acht künstlerischen Sektionen. Ob die Künstler*innenversammlung da Chancen habe, mitzumachen, wollte Andrea Edel, die Heidelberger Kulturamtsleiterin, gleich konkret von ihm wissen. Nein, lautete die Antwort, denn die vereinigten Heidelberger Künstler haben weder einen Bundesverband, noch passen sie in eine der Sektionen, die die einzelnen Künste ja trennen. Vielleicht könne man einen Kulturrat auf Landesebene gründen? 

Die Vereinigung der freischaffenden Heidelberger Künstler und Künstlerinnen, vertreten von der Fotografin Gülay Keskin, der Schauspielerin Jennifer Münch und dem Filmemacher Peter von Saalfeld, trat kraftvoll auf. "Wir wollen den Status des Kulturschaffenden in der Gesellschaft neu verhandeln", sagte Gülay Keskin. Sie haben Ideen und Forderungen schon aufgelistet, von gerechten Ausfallhonoraren für freie Schauspieler bis zum Grundeinkommen ("Wollen wir Almosenempfänger oder arme Poeten bleiben oder angstfrei tätig sein?") und zum Kurzarbeitergeld von der Künstlersozialkasse (KSK) – die bisher keine Arbeitslosenversicherung darstellt und deshalb kein Kurzarbeitergeld auszahlt. Olaf Zimmermann wies darauf hin, dass der durchschnittliche jährliche Verdienst der Mitglieder der KSK mit 17.500 Euro angegeben werde. Diese Einkommenssituation zu verbessern, sei wichtig – durch Mindestgagen, Künstlerhonorare, Ausstellungsvergütungen.

 

Die freien Heidelberger Künstlerinnen und Künstler wünschen sich zudem die Einrichtung einer Sommerbühne. Genau das habe das Heidelberger Theater vor: Sommerfestspiele auf einer zusätzlichen Bühne im Schlossgarten zu ermöglichen, erklärte Intendant Holger Schultze. "Wir sind dazu mit dem Denkmalamt im Gespräch."

Als CDU-Stadtrat Matthias Kutsch wissen wollte, welche Erwartungen und Wünsche die Künstler speziell an den Heidelberger Gemeinderat haben, stellte sich heraus: Einige wissen wohl gar nicht, was ein Gemeinderat ist und tut. Kulturamtsleiterin Edel will nun einen Dialog zwischen Künstlern und Gemeinderäten initiieren. 

Und Kunst gab es natürlich auch online: Sofie Steinfest, Naturwissenschaftlerin und Philosophin, transportierte den Wert der Kunst ganz poetisch. "Künstler sind nicht überflüssig", hieß es im Lied des Schauspielers Jonah Moritz Quast. "Kunst ist der Geist der Gesellschaft", machte der Lyriker und Slam-Poet Philipp Herold deutlich, der aus seinem Gedichttagebuch vortrug, das er seit dem ersten Lockdown führt.

 

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