Einführungsrede + Video zur Ausstellung "zerbrechliche Architekturen"

Fragile Gestaltung

Adriana Carcu

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Der erste Gedanke, den ich zu dieser Ausstellung hatte, war, den gemeinsamen Boden zu finden, auf dem die drei Künstlerinnen ihre Fragilität zur Schau stellen. Das ist nicht leicht. Wir haben hier drei Künstlerinnen, die ihre Ausdrucksmittel meisterhaft beherrschen, drei in ihrem Denken und Tun starke Frauen. Und trotzdem …

Betrachtet man die sechs Grafiken von Adriana Lucaciu und versinkt dabei in die aus der Stellung und gar der Anatomie sich ergebenden Strukturen, so erkennt man die Metapher der menschlichen Zerbrechlichkeit und versteht, dass jenseits der Feinheit der Zeichnung das ewige existentielle Drama pulsiert. Die meist weiblichen Gestalten sind in Würfeln gruppiert, die Symmetrie wird jedoch von den schönen Rundungen des menschlichen Körpers abgeschwächt. Sie markieren den Lauf des Daseins mit seinen wesentlichen Momenten, die Fötusstellung am Anfang, der Liebesakt, Augenblicke der Muße und der Wonne, der Einsamkeit und des Nachdenkens. Während all diese Hypostasen in der Leere des unbewohnten Würfels allmählich verschwinden, werden sie von der Willkür der eckigen Formen oder der bunten Kugeln gezeichnet, die den Gestalten wie ein Spiel des Zufalls aufgezwungen werden, wie eine Herausforderung des Schicksals oder wie ein verspielter Hinweis, was den grafischen Charakter der Zeichnung betont.

Kraftvoll und empfindsam gelingt es der Künstlerin, den beiden Arbeiten, auf denen weibliche Waden paarweise fest und schwerelos in einem ätherischen Fluidum schweben, eine grafische Transparenz zu verleihen, so dass der Betrachter die Frauen, denen die Waden gehören, in einer Reihe sitzend erahnen kann. Eine Geometrie des Abwartens. Ein Flug mit den Füßen auf der Erde.

Einige Gestalten haben Flügel. Ich lade Sie ein, diese zu entdecken!

Die Arbeiten von Dana Constantin laden uns in eine andere plastische Dimension ein. Anscheinend düster pulsieren sie mit einer Vitalität, die sich nur in der Kontemplation offenbart. In den einfarbigen Vierecken von blassem Rot, giftigem Grün oder stumpfem Lila entfaltet sich ein Leben voller Rhythmizität, öffnen sich ungeahnte Tiefen, erscheint eine Weiträumigkeit, die es einem erlaubt, mit dem Verstand und den Gedanken frei zu reisen. Vom Aufblitzen der Sterne, die den Abgrund auszumessen scheinen, zu pflanzlichen Formen, die anscheinend eine aus der anderen erwachsen, von lichtvollen Fluchtlinien zur pulsierenden Organhaftigkeit einer untergetauchten Landschaft, werden die Gemälde von einer unterschwelligen Energie bewegt. Die Fragilität hat hier andere Valenzen. Sie verbirgt sich hinter den Metallstangen, welche die grünen Blätter vor Berührungen schützen, hinter den Farben, die dich auf Abstand halten, in den chromatischen Gruppierungen, die deinen Blick ablenken. Die Tiefgründigkeit der Werke der Künstlerin offenbart sich dem Betrachter, der sie in den hohen Tiefen sucht, im blassen Sternenglanz, in den Bewegungen des Wassers und dem Zittern der Blätter.

Die zehn Skulpturen der Linda Saskia Menczel bereichern den von den rumänischen Künstlerinnen geschaffenen symbolischen Raum um die dritte Dimension, in welcher Bronze, verbunden mit Holz, Granit oder Glas, eine duale Materialität schafft, eine Verknüpfung der Elemente, die den Gedanken einer verborgenen Verletzlichkeit vervollständigen. Linda Saskia Menczel hat sich sozusagen ihre eigene Mythologie erschaffen, ausgestattet – wie sie es selbst sagt – mit ausführlichen Studien und Nachforschungen im weiten Feld der Spiritualität unterschiedlicher Faktur. Jenseits vom ästhetischen Faktor ist die Künstlerin häufig als Einzige im Besitz des symbolischen „Schlüssels“, mit dessen Hilfe ihre Quellen oder Absichten erkannt werden können. Hier helfen nicht nur im Einzelfall die Titel der Werke. Von der Verkündung des apostolischen Gedankens zur Silhouette, die unter den Falten der Pelerine des Alchemisten zu erahnen ist, von den pyramidalen Strukturen, welche die Symbolik der Unsterblichkeit in sich tragen, zu den organischen Formen, welche die Bewegungen der Seele bergen, oder der Spiegelung in einem alles sehenden Auge führen dich die Skulpturen der Künstlerin in eine Welt voller verborgenen Bedeutungen, der Spiritualität und des Mysteriums. Eine Welt, in die man in langer Betrachtung, nahe an der Meditation, versinken sollte.

Bevor ich Sie nun einlade, dass Sie sich beim Besichtigen dieser schönen Ausstellung von ihrer eigenen Sensibilität leiten lassen, möchte ich noch hinzufügen, dass ich mich geehrt fühle, dass mir die Präsentation der drei abwesenden Künstlerinnen anvertraut wurde. Sie leben in meiner Geburtsstadt, drei Freundinnen, die ich mir heute gern hierher gewünscht hätte.

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